Artenschutz und Biotopverbund sind wichtige Aspekte im Koalitionsvertrag

Naturschutzforum Deutschland begrüßt die Vorgaben zu Umwelt- und Naturschutz

Berlin.  Natur- und Umweltschutzorganisationen haben weltweit und jahrzehntelang vor dramatischen Veränderungen gewarnt, wie sie inzwischen eingetreten sind. Denn der Schutz der Biosphäre, der Erhalt ungestörter Ruhezonen, die Funktionsfähigkeit von Chlorophyll und der Verzicht auf synthetische Stoffe, die verdrängen, vergiften oder aufheizen, sind Grundbedingungen für das Überleben des Menschen. Alle anderen Gesichtspunkte müssen sich dem unterordnen. Daraus ergibt sich auch das Primat von Natur- und Artenschutz vor den Maßnahmen des Menschen-zentrierten Umweltschutzes. Natur und Landschaft benötigen uns Menschen nicht, wohl aber sind wir abhängig vom Wohlergehen der Gesamtheit aller wildlebenden Pflanzen- und Tierarten, einschließlich der landwirtschaftsrelevanten alten und modernen Nutztiere und Kulturpflanzen.

Diese vorangestellten Grundsätze zeigen, dass alle Nutzer von Boden, Wasser und Luft sich rücksichtsvoll verhalten und ihre Tätigkeiten entsprechend ständig mit der Naturverträglichkeit abstimmen müssen. Um das zu erreichen, bedarf es dringend entsprechend entschlossener Programme im politischen Bereich – und zwar auf allen gesetzgebenden Ebenen, von jener der Städte und Gemeinden über die Länder bis hin zu den Bundes- und EU-Einrichtungen. Derartige Programme zügig umzusetzen, wurde leider jahrzehntelang zu langsam oder gar nicht betrieben. Denn Natur-, Klima- und Artenschutz wurde viel zu lange nicht als existentiell bedeutsame Querschnittsaufgabe gesehen und entsprechende Initiativen fanden unter Politikerinnen und Politikern sowie in Gremien keine Mehrheiten. Nun drängt die Zeit und es muss gemeinsam und schneller gehandelt werden. Nach Auffassung des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) müssen alle naturschutzrelevanten Entscheidungsträger zusammenarbeiten, ohne traditionelle Vorbehalte und Meinungsverschiedenheiten weiter auszutragen.

Dieser Dringlichkeit von Natur-, Klima- und Artenschutz trägt der Koalitionsvertrag der SPD, Grünen und FDP im neugewählten Bundestag nach erster Einschätzung des NaturschutzForums vollauf Rechnung. Schon der Umfang der Ausführungen zu umweltrelevanten Themen zeigt dies. Die Kapitel „Umwelt- und Naturschutz“ sowie „Landwirtschaft und Ernährung“ umfassen 12 Seiten. Erfreulich ist aus Sicht von NaFor, dass das Auslaufmodell Atomindustrie nur auf etwa einer halben Seite Erwähnung findet. Denn trotz Klimakrise und dringend nötiger CO2-Reduktion rechtfertigen die fatalen Auswirkungen des ungelösten Atommüll-Problems auf zukünftige Generationen keine weitere Unterstützung dieser Technik.

Titelseite des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen, FDP

Sollte die künftige Regierung den 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag mit dem Namen „MEHR FORTSCHRITT WAGEN“ in die politisch-gesetzgeberische Tat umsetzen, so stehen der bundesdeutschen Bevölkerung maßgebende zukunftsorientierte Veränderungen im täglichen Leben ins Haus. Die Gewinnung alternativer Energien aus den Kategorien Windkraft, Erdwärme, Wasserstoff, norwegischer Wasserkraft und Solar sollen intensiv und beschleunigt mit entsprechenden Leitungen ausgebaut werden. Aus Sicht des NaturschutzForums sollten allerdings in Deutschland Solaranlagen primär auf den Dächern installiert werden und wegen des Flächenbedarfs nicht als Großanlagen im Außenbereich entstehen. Auch bei der Biogasgewinnung auf der Grundlage von Mais müssen aus NaFor-Sicht Beschränkungen her. Denn die Ausbringung der Güllereste aus diesen Anlagen beeinträchtigt das aerobe Bodenleben erheblich. Die humusbildende Mesofauna (aus z.B. Hornmilben und Regenwürmern) ist dringend zu erhalten, um die Bodenfruchtbarkeit nicht langfristig zu gefährden.

In allen Ministerien muss der Natur-, Klima- und Artenschutz als Querschnittsaufgabe angesehen werden. Alle Gesetzesentscheidungen müssen mit diesen Zielen vereinbar sein. Angesichts des Vorschlags, das Ministeramt Steffi Lemke aus Dessau (Sachsen-Anhalt, Sitz des Umweltbundesamts) zu übertragen, sind die Aussichten auf Realisierung nicht gering. MDR.de meldet am 26.11.2021, Lemkes Herzensthema sei der Artenschutz, und zitiert aus ihrem Wahlkampf: Sollte ihre Partei nach der Bundestagswahl mitregieren, sagte sie damals, wolle sie ein milliardenschweres Renaturierungsprogramm auflegen. Deutschland habe international schließlich eine ‚besondere Verpflichtung‘ für den Erhalt von Biotopen, erklärt Lemke. Der Artenschutz sei zudem eng mit dem Klimaschutz verbunden. Umso wichtiger sei es ihr, dass der Transformationsprozess in der Strukturwandelregion … gut gelinge. Aber auch, dass die Menschen vor Ort mitgenommen würden und ein sozialer Ausgleich geschaffen werde.“

Das Naturschutzforum Deutschland sieht zahlreiche Inhalte seiner eigenen satzungsmäßigen Ziele im Koalitionsvertrag der drei Parteien verwirklicht. Der Vertrag bringt zum Ausdruck, dass die gesamte Bevölkerung aufgerufen ist, ihre Zukunft im jeweiligen Einflussbereich selbst mitzugestalten – bei der Arbeit ebenso wie im Privaten, gleich ob Alt und Jung, wo auch immer in Deutschland zu Hause – getragen von der „Zuversicht, dass dies gemeinsam gelingen kann“ (Präambel des Koalitionsvertrages).

Das Naturschutzforum Deutschland unterstützt alle Bestrebungen der neuen Regierung, den anvisierten Fortschritt im Verbund mit möglichst vielen Mandatsträgern zu wagen.

Prof. Dr. Remmer Akkermann, Präsident und

Dr. Martine Marchand, Bundesgeschäftsführerin

Schützenswerte Natur und Landschaft in Deutschland
Fotos: BSHnatur