09.01.2025
Strukturvielfalt von kultivierten Mooren als Bio-Refugien erhalten
Kartierung der vorhandenen Flora und Fauna im Naturpark Moor ist eine wichtige Grundlage für die weitere Erforschung und Dokumentation im Emsland
Im Rahmen eines EU-LEADER-Projektes wurde von 2018-2021 das Arteninventar von zehn Naturschutzgebieten des deutschen Teils des internationalen Naturparks Moor-Veenland erfasst. Konzipiert wurde dieses vom Landkreis Emsland kofinanzierte Projekt vom Emsland Moormuseum unter der Leitung von Dr. Michael Haverkamp. Als Projektleiter koordinierte der Biologe (M.Sc.) Johannes Weise die umfangreichen und von insgesamt 42 Artenkennern durchgeführten Kartierungen. Zusammengetragen wurden auf diese Weise aktuelle Daten über Vögel, Schmetterlinge, Libellen, Spinnen, Ameisen, Käfer, Heuschrecken, Bienen, Stechmücken, Amphibien, Schuppenkriechtiere und bei den Pflanzen Daten zu den Süß- und Sauergräsern sowie zu den Torfmoosen, den Laub- und Lebermoosen. Die Ergebnisse dieses 2019 als „Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ ausgezeichneten LEADER-Projektes liefern nun ein genaues Bild über die Wertigkeit der Lebensräume im Naturpark Moor und wurden in folgendem 132 Seiten umfassenden Katalog veröffentlicht:
Dieses erfolgreiche Projekt des Moormuseums Emsland ist dem Engagement seines Direktors Michael Haverkamp zu verdanken. Er hatte ein Netzwerk aus 42 Artenkennern zusammengestellt, darunter Fachleute aus Museen und Gutachterbüros, Medienzentren sowie Autodidakten aus der Region. Das zu arrangieren, ist umso beachtlicher, als es immer weniger Artenkenner im Lande gibt. Ergänzt wurden die Beiträge im Katalog mit den fotografischen Dokumentationen der zugehörigen Ausstellung im Emsland Moormuseum.
Eindrucksvoll gegliedert ist der Text in die von Johannes Weise erstellten farbigen Karten zu den zehn Gebieten. Sie zeigen in großer Detailtreue deren Strukturreichtum als Folge der verschiedenartigsten Nutzungen. Dazu ist in der Einführung zu lesen: Sie umfassen im Naturpark Moor „eine Fläche von 3.854 ha, hinzu kommt auf niederländischer Seite das Naturreservat Bargerveen mit 2.100 ha. In diesen rund 6.000 ha ausgewiesenen Naturschutzgebieten liegen noch einige aktive Torfabbauflächen, die aber in wenigen Jahren aus der Abtorfung gehen. In nur wenigen dieser Schutzgebiete finden sich noch hochmoortypische Relikte, wie etwa im Meerkolk. Alle Naturschutzgebiete weisen verschiedene Stadien der Moordegeneration auf, die sich durchaus auf engstem Raum auch nebeneinander finden, wie etwa ganzjährig überstaute Flächen, wechselfeuchte Standorte, trockene Heide- oder Grasstandorte und Birkenwald.“ Dazu gehören auch Vorkommen von Gagelstrauch und Faulbaum als Futterpflanzen für Insekten. Entsprechend verschiedenartig sind die sich hier über Jahrzehnte sekundär entwickelte Flora und Fauna.
Gerade die zahlreichen Veränderungen durch anthropogene Eingriffe sind es, die den heutigen Artenreichtum ausmachen: 1730 Tier- und 335 Pflanzenarten wurden nachgewiesen. Damit zeigt sich die große Bedeutung heutiger Hoch-/Moor-Reste für den Artenschutz von Kulturflüchtlingen wie Birkhuhn und Raubwürger, Brachvögel, Blaukehlchen und Feldlerche, um nur kurz die Avifauna anzusprechen – überwiegend also Arten, die keine typischen Hochmoorbewohner, sondern Besiedler extensiven Grünlandes und der Offenlandschaft, Feldgehölze und Gebüschlandschaften sind. Die ausführlichen Legenden der Gebietskarten weisen das aus.
Besonders wichtig sind die Karten für später geplante Folgeprojekte in diesen Gebieten, vor allem für die unter Federführung von Biologen in Greifswald und andernorts aktuell aufgekommene hohe Zahl von BMU-geförderten Projekten der „Paludikultur“. Die hier vorliegende Publikation zum Naturpark Moor dokumentiert das, was vor jeder Form von neuartiger Nutzung als Ausdruck eines angeblich “modernen Naturschutzes“ stehen muss: die möglichst weitreichende Erfassung des Inventars des heutigen Ist-Zustands von Flora und Fauna auf sehr unterschiedlichen Moorstandorten. Denn nur so lässt sich verhindern, dass eine neue wirtschaftliche und CO2-orientierte Idee den vorhandenen Bestand an schutzwürdigen Arten opfert, ohne nachgewiesen zu haben, was dort vorhanden ist und in diesen Ruhezonen unangetastet bleiben muss. Das gilt für trockenheitsliebende Spinnen, Moorameisen, Schmetterlinge oder Wildbienen ebenso wie für Reptilien wie Schlingnatter und Zauneidechse. Denn wer den typischen Hochmoorcharakter wiederherstellen möchte, muss beachten, dass die Anpassung der Wasserstände an das Optimum von diversen Torfmoosen nicht ohne Rücksicht auf die Biotopansprüche anderer sensibler Arten erfolgen darf. Schon ein einmaliger zu starker Einstau kann den Untergang zahlreicher Arten bedeuten, die an trockene und Übergangs-Standorte gebunden sind. Die Legenden der Karten dokumentieren die Unterschiede nach Höhe, Feuchte und Nutzung zum heutigen Stand.
Die Illustration des Katalogs ist gelungen und zeigt, dass der Schutz von Restmooren das Überleben zahlreicher Arten ermöglicht, und zwar auch jener, die ursprünglich hier nicht heimisch waren.
Darüber hinaus verdeutlichen die Ausführungen, dass ein Biotopverbund zwischen den einzelnen Gebieten – auch mit weiter entfernt liegenden Biotopen und dem Tal der Ems zugunsten wandernder Tierarten und der Aufhebung von genetischen Kontaktsperren durch Verinselung dringlich ist.
Die Bestandsaufnahmen weisen auch auf das Fehlen von ursprünglich auf wenig gestörten Flächen im Emsland vorkommende Arten wie den Lanzettlichen Sonnentau. Hochmoor-Mosaikjungfer und Goldregenpfeifer hin – siehe auch Darstellungen im zitierten Hintergrundbericht aus 2023. Umso wichtiger ist es, dass dieser Katalog mit den fotografischen Belegen der Ausstellung den aktuellen Stand der Vorkommen von Pflanzen und Tieren dokumentiert. Damit lassen sich künftige Wiederansiedlungsprojekte ebenso begründen wie der Verzicht auf zu starke sekundäre Umgestaltungen und Rückstaumaßnahmen, um die vorhandenen Lebensgemeinschaften fortbestehen zu lassen, statt zu gefährden.
Dieser Publikation ist eine möglichst weite Verbreitung zu wünschen, insbesondere dort, wo es darum geht, den vorhandenen Bestand an schutzwürdigen Organismen zu sichern und deren sekundäre Lebensräume im Sinne des Natur- und Artenschutzes zu erweitern.
Hintergrund-Information:
Haverkamp; M. (2023): „…die Zeit und die Wirtschaft haben auch hier über die Natur triumphiert.“ Moore im Emsland – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines zerstörten Ökosystems.- Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 69, 137-190 S.
Impressum / Kontakt:Michael Haverkamp (Hg., 2022): Ein Glocksfall – Artenreichtum Moor. Kartierung der vorhandenen Fliora und Fauna in den Naturschutzgebieten des Naturpark Moor.- Emsland Moormuseum e.V., Geestmoor 6, D-49744 Geeste / Groß-Hesepe, 132 S.
E-Mail: haverkamp@moormuseum.de
Fon: +49(0 ) 59 37- 70 99
ISBN: 978-3-89946-320-0
Internet: www.dnb.d-nb.de
Remmer Akkermann