NaturschutzForum Deutschland plädiert anlässlich der Grünen Woche für die Förderung gemeinsamer Ziele – mehr EU-Fördermittel für ökologische Leistungen der Bauern notwendig
Berlin. Wer auf der Grünen Woche (16.-25. Januar 2015) die Eröffnungsrede des neugewählten Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied mitverfolgt hat, wird ihm zustimmen, wenn er von den Verbrauchern und Politikern Realitätssinn, Fairness und gemeinsame Verantwortung fordert. Allerdings versucht er kraft Amtes, sich als Vertreter des gesamten Berufsstands darzustellen und kritisiert in Gegenwart des neu berufenen EU-Agrarkommissars Hogan jene Interessengruppen, die von „Massentierhaltung“, „Doping im Stall“ und „industrieller Landwirtschaft“ sprechen.
Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) mahnt in diesem Zusammenhang seinerseits mehr Realitätssinn an. Denn die Zustände in der Agrarindustrie, zum Beispiel West-Niedersachsens und dem nördlichen Münsterland, sind in Bezug auf den Umgang mit den Hauptressourcen der Zukunft – Landschaft, Boden, Wasser, Flora und Fauna – nicht zu akzeptieren. Das betrifft die klassische, weiterhin expandierende Massentierhaltung ebenso wie die Biogasproduktion. Böden und Grundwasser sind vielerorts durch Nitrat und Phosphat jenseits aller Grenzwerte extrem hoch belastet.
Die Lebensqualität von Anwohnern und das Tierwohl leiden unter den Ammoniak-Emissionen, dem erheblichen vorbeugenden Einsatz von Antibiotika und Pestiziden sowie dem Verlust an „schöner Natur“ ebenso wie auch das wirtschaftliche Wohl kleiner Betriebe. Unter diesen befinden sich viele Vertragslohnmasten, die von nichtbäuerlicher Hand gesteuert werden oder den Betrieb aufgeben müssen, da sie bei Pachtpreisen und anderen Produktionskosten nicht mehr mithalten können. In den letzten 20 Jahren mussten bundesweit nahezu 100.000 Betriebe schließen. Mit Recht fühlen sich kleinere bäuerliche Familienbetriebe und zahlreiche Milchviehhalter nicht hinreichend vom Bauernverband vertreten. Stattdessen gibt es viele Schnittmengen mit dem Natur- und Wiesenvogelschutz sowie mit Initiativen zum Schutz natürlicher Ressourcen.
Joachim Rukwied sieht laut SPIEGELonline die Pläne der EU, Subventionszahlungen an Bauern von deren Leistungen im Umweltschutz abhängig zu machen als „Programm aus der Mottenkiste“. Die Zuckerrübenproduktion liegt dem Agrarindustriellen aus dem württembergischen Eberstadt mit 300 Hektar bewirtschafteter Fläche mehr (die dortige Durchschnittshofgröße entspricht etwa 32 ha). Seinen Appell auf der Grünen Woche, das Machbare vom Wünschbaren besser zu unterscheiden, kann er auch zur Grundlage seines eigenen verbandspolitischen Handelns machen. Denn Millionen Verbraucher fordern deutlich mehr Rücksichtnahme in der Landwirtschaft auf gliedernde und belebende Elementen in der freien Landschaft wie Gebüsche und alte Bäume, Wegeseitenstreifen und Feuchtzonen oder erhaltenswerte öffentliche Feldwege und Schaftriften, auf denen „Unkräuter“ zugunsten von Wild und Körnerfressern zur Samenreife gelangen können.
Das NaturschutzForum Deutschland und seine Mitgliedsvereine kennen viele Beispiele einer guten Kooperation von Naturschutz und Landschaftspflege mit Bauern, Wald- und anderen Grundbesitzern, Jägern und Fischern. Die angesprochenen Verbraucher unterstützen diese gemeinsamen Projekte, die allen zugutekommen. Das funktioniert auch bestens in den Niederlanden – intensiv hier, extensiv und Artenschutz dort, ausgeführt von denselben Leuten. Die 5%-greening-Flächen sind ein erster Schritt, mit deren Hilfe landschaftliche Verbundsysteme zwischen den Intensivflächen geschaffen werden können, ohne die wirtschaftliche Produktion zu stören. Deren Pflege garantieren damit beauftragte Landwirte am besten, denn sie wohnen vor Ort und verfügen über die nötigen Fertigkeiten im Umgang mit Maschinen und bei der dauerhaften Pflege von Saumbiotopen.
Gemeinsam sind wir stark, auch gegenüber den Interessen globaler Akteure. NaFor hält es darum für dringend an der Zeit, der berechtigten Kritik in der Tierhaltung und Pflanzenproduktion entgegenzuwirken und sich stattdessen – auch auf der Grünen Woche und danach – mit den Landvolkvertretungen zusammenzusetzen und im Sinne weiterer gemeinsamer Projekte eine belebte und erholungswirksame Landschaft zu erhalten oder im Verbund zu entwickeln.
Remmer Akkermann
(zu erreichen unter: akkermann.remnmer@ewe.net)
Wiesenvogelschutz erfordert eine enge Kooperation mit Landwirten – wie hier in der Wesermarsch. Wegen später erster Mahd (Juli/August) erfolgen Ausgleichszahlungen.
Intensive Landwirtschaft, wie sie nicht sein sollte: Der Spargelanbauer missachtet den öffentlichen Seitenstreifen und bezieht ihn in seine Wirtschaftsfläche mit ein, indem er seine Fahrzeuge auf dem Weg parkt und wendet.
Milchviehhaltung und Naturschutz ergänzen sich, wenn zwischendrin unbeweidete Flächen für Brutvögel und Deckung-suchende Säugetiere verbleiben (Fotos: BSH)