Neue Abmessungen für Steinkauz-Bruthilfe

Ökoporträt des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) zum Steinkauz erschienen

 

 Steinkauz in einer Eiche, diese kleine Eule ist tagaktiv und auch gut zu Fuß in seinem Lebensraum. Foto: Max Hunger

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Die Förderung heimischer in Höhlen brütender Vogelarten gelingt durch künstliche Bruthilfen. Denn der Bruterfolg hängt maßgeblich von der Standortwahl und der Konstruktionsweise der Bruthilfe ab. Pionierarbeit auf diesem Gebiet hat die Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Teckenburger e. V. – ANTL geleistet (Bahnhofstr. 73, 49545 Tecklenburg, Tel.: 05482 929290 /naturschutzzentrum@antl-ev.org).

Später folgten auch ähnliche
Projekte der Naturschutzstiftung des Landkreises Oldenburg. Näheres dazu kann
abgerufen werden im neuen Ökoporträt Nr. 57 zum Steinkauz des Naturschutzforums
Deutschland (NaFor). Darin werden auch neue Erkenntnisse in Bezug auf
Konstruktionsänderungen (Rückseite mit Öffnung für die Reinigung, Auflage eines
Firstziegels zum Anlocken) und Abdeckung (Folie statt Dachpappe gegen
Vernässung) vorgestellt.

„Der Steinkauz sucht nicht nur Baumhöhlen zum Brüten auf, sondern hält sich gern in der Nähe menschlicher Siedlungen auf, wo er auch im Mauerwerk alter Feldscheunen oder in alten Kopfweiden brütet. Durch Sanierung der Gebäude oder durch Abholzen knorriger Bäume ist der Wohnungsmangel beim Steinkauz groß.“

Umso wichtiger sind passende Bruthilfen für den Steinkauz. Mit 100 x 22 cm Größe ist die walzenförmige Brutröhre groß und wenig handlich, mit allem Zubehör bedarf die Anfertigung besonderer Sorgfalt. Alles basiert auf Erfahrungswerten, die jahrzehntelang bei mehr als 50 erfolgreichen Bruten gesammelt wurden. Dazu zählt auch die Beobachtung, dass insolierte Spontanaufhängungen vergleichsweise selten angenommen werden, während sie in vom Kauz besiedelten Räumen umso attraktiver sind. Ob Käuze anwesend sind, lässt sich leicht mit Rufattrappen feststellen. Es empfiehlt sich, die Röhren in Hörweite zu installieren. Näheres zur Biologie und Brutverhalten ist im Merkblatt nachzulesen.

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Konstruktionsmaße einer Steinkauz-Röhre – erprobt und bewährt. Grafik nach Vorlage von Max Hunger.

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Der kostenlose Nachdruck des Porträts ist für gemeinnützige Zwecke unter Angabe der Quelle gestattet.

Das Blatt kann im Internet abgerufen werden unter: www.bsh-natur.de/uploads/…Oekoportraets_57_Steinkauz.pdf

Das ältere Ökoporträt 27 ist hier archiviert: www.bsh-natur.de/uploads/…Oekoportraets_27_Steinkauz.pdf

 


Stellungnahme zum Niedersächsischen Weg vorgetragen

BSH und NaFor unterstützen das Volksbegehren, sehen aber im Niedersächsischen Weg nur einen ersten Schritt für mehr Naturschutz

Hannover. Auf Einladung des Umweltausschusses im Niedersächsischen Landtag hat die BSH gemeinsam mit dem NaturschutzForum Deutschland (NaFor) eine persönliche Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben der CDU / SPD-Landesregierung „Der Niedersächsische Weg“ im Niedersächsischen Landtag abgegeben. Es wurden positive Aspekte wie die Vergrößerung von Biotopverbundsystemen ebenso dargelegt wie Ergänzungsvorschläge (Lichtverschmutzung, Verrieselung von Dachwasser) gemacht, Kritikpunkte vorgetragen wie die Forderung, von deutlich mehr Naturwäldern in Plenterwirtschaft statt der monokulturellen Holzproduktion mit Borkenkäferkalamitäten, aber auch die Priorität von Nektarangeboten in Obstbaumwiesen statt gärtnerisch geprägter Fruchtertragswirtschaft. Dabei zeigten sich auch Meinungsunterschiede in Bezug auf das von den Grünen angestoßene parallel im Lande laufende Volksbegehren. Die Stellungnahme (5 S.) kann hier nachgelesen werden.

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Saumbiotope und Grenzabstände werden oft nicht eingehalten. Der Mindestabstand vn der Gewässeroberkante sollte hier laut Satzung des Unterhaltungsverbandes mindestens 1 Meter betragen. Im Gesetz sind für Gewässer II. Ordnung Mindestabstände von 5 m vorgesehen – die Kontrollen sollten nach Art der Landschaftspflegeverbände die örtlichen Wasser- und Bodenverbände durchführen. Fotos: BSHnatur


NaturschutzForum Deutschland lobt Umsetzung der FFH-Richtlinie in der Flusslandschaft Örtze

Der Landkreis Celle hat den Entwurf zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben aus der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie in nationales Recht zur Flusslandschaft Örtze (LSG 081) vorgelegt. Er stößt damit auf Zustimmung beim NaturschutzForum Deutschland, das alle wichtigen Belange detailliert berücksichtigt sieht.

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Veranlassung und Schutzstatus aller Natur- und Landschaftsschutzgebiete werden über Verordnungstexte definiert und begründet. Das entspricht den Vorgaben  im Bundesnaturschutzgesetz  vom 29. 07. 2009, zuletzt geändert durch Gesetz vom 04. 03. 2020 (BGBl. I S. 2542 bzw. S. 440). Im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG (EU) des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl.Nr.L 206, S. 7), zuletzt geändert  durch Art. 1 ÄndRL 2013/17/EU vom 13. 05. 2013 (ABl. Nr. L 158, S. 1293). Insoweit sind alle Landkreise betroffen, es ist also nichts Besonderes, außer dass festzustellen ist, wie viel Zeit Deutschland wieder mal hat verstreichen lassen, um EU-Recht in deutsches Recht umzusetzen.

Im aktuellen Fall wurde durch die Stabsstelle Wirtschaft und Tourismus des Landkreises Celle für das Gebiet des naturnahen Heidebachs Örtze samt Nebengewässern ein umfangreicher Entwurfstext erarbeitet. Er gehört nach Auffassung des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) auch im Ländervergleich zu den bestformulierten  Texten und Verfahrensunterlagen. „Wir würden uns wünschen, wenn auch andere Landkreise ihre zum Teil noch auf alten Standard-Texten basierenden Verordnungen entsprechend überarbeiten würden“, so Prof. Dr. Remmer Akkermann, Präsident des NaFor.

Alle Dokumente können aufgerufen werden unter folgendem Link:

www.landkreis-celle.de/kreisverwaltung/umwelt-und-laendlicher-raum/naturschutz/natur- und-landschaftsschutz… ffh-gebiet-081-oertze-mit-nebenbaechen-teilgebiet-iso-oertze

Die Umsetzung naturschutzrechtlicher Ziele entlang der Flüsse Aller und Lachte galt über Jahrzehnte als bundes- und landesweite Modellfälle. Federführend war der Landkreis Celle mit umliegenden Kommunen wie den Landkreisen Gifhorn und der Samtgemeinde Hankensbüttel.

Begleitet wurden die Planungen im Einzugsgebiet der Aller als grenzübergreifendes Ökosystem von Anfang an durch örtlich aktive Naturschutzverbände, darunter den BUND und in GF der Zusammenschluss von KONU. Die Örtze liegt im Naturraum Südheide und gehört der naturräumlichen Einheit „Örtze-Urstromtal“ und Oerreler Sander an. Kennzeichnend sind auch Altwässer, Feucht- und Nassgrünländer, Sümpfe, feuchte Hochstaudenflure, Au- und Bruchwälder sowie Eichen-Mischwälder. Mit Inkrafttreten des vorgelegten Entwurfs tritt die bisherige Verordnung (LSG CE 2 „Örtzetal“) außer Kraft.

Das Gebiet verfügt über ein selten hochwertiges biologisches Inventar. Leitarten sind unter den Wirbeltieren Biber, Fischotter, Kranich, Schwarzstorch, Eisvogel und andere. Unter den Pflanzen sind die gefährdeten Arten von feuchten bis nassen Biotopen wie div. Orchideen zu nennen. Ausgewiesen werden ca. 880 ha gemäß den einschlägigen Gutachten von beauftragten Sachverständigen.

Im Sinne von gesetzeskonformen und gerichtsfesten Grundlagen enthält der 7-seitige Entwurf eindeutige Formulierungen, die das Betreten, die Zeiten und Nutzungen, auch in Berücksichtigung alter Rechte regeln. Damit sind die verschiedenen Ansprüche zwischen Landschaftsschutz und Nutzung sensibel abgewogen worden. Das bezieht die Ausnahmen, Verbote und Ahndungen mit ein.

Stellungnahmen von Seiten der gesetzlich anerkannten Verbände an den Landkreis Celle (Az. 66/N 332-303/11-81 LSG Örtze) sind bis zum 25. August möglich.


BMU und BfN fördern Insektenschutz im Ackerbau mit über 3 Millionen Euro

Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Bundesamt für Naturschutz

Neues Projekt „FINKA“ erprobt mit Betriebspartnerschaften innovative Wege

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Mais verdrängt vielerorts das für den Artenschutz wichtige Grünland. Foto: BSH-natur

Die Begleitflora von Mais vermag sich nicht durchzusetzen. Die hochwüchsige Biomasse verhindert die Entwicklung von Schlaf- und Nistgelegenheiten für Bodenbrüter auf dem kahlen Boden. Foto: BSH-natur

 

Im Projekt FINKA haben sich die Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH (KÖN), das Landvolk Niedersachsen – Landesbauernverband e.V. (LV), das Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. (NAN), die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) und die Georg-August-Universität Göttingen (GAUG) zusammengeschlossen, um Lösungsstrategien zur Förderung der Insektenvielfalt und der Ackerbegleitflora zu erarbeiten und zugleich ein breiteres Bewusstsein hierfür innerhalb der Landwirtschaft zu fördern.

Die Vielfalt der Insekten schwindet, ihre Häufigkeit nimmt weiter ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig ‒ einer davon ist der unverändert hohe Einsatz von Insektiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft. Das Bundesamt für Naturschutz fördert daher das neue Projekt „FINKA ‒ Förderung von Insekten im Ackerbau“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt mit rund 3,15 Millionen Euro aus Mitteln des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Modellhaft sollen im Vorhaben mit Partnerschaften zwischen konventionell und ökologisch wirtschaftenden Ackerbaubetrieben neue, insektenfreundlichere Bewirtschaftungsmethoden landwirtschaftlicher Flächen erprobt werden.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Pflanzenschutzmittel wirken schädlich auf Insekten, indem sie Nahrungsnetze und Lebensräume beeinträchtigen. Effektiver Insektenschutz erfordert deshalb auch einen grundsätzlich restriktiveren Umgang mit Pestiziden, nicht nur mit Glyphosat. Mit dem neuen Projekt FINKA fördern wir nun ein Vorhaben, das insektenfreundlichere Lösungen auch für die konventionelle Landwirtschaft entwickelt und erprobt.“

BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel: „Viele landwirtschaftliche Betriebe halten den Einsatz von Insektiziden und Herbiziden für unabdingbar. Mit Betriebspartnerschaften geht FINKA jetzt neue Wege: Zusammen mit Tandems von ökologisch wirtschaftenden und konventionell arbeitenden Partnerbetrieben sollen Lösungsansätze entwickelt werden, die sich auch im konventionellen Landbau einfach und betriebswirtschaftlich sinnvoll umsetzen lassen.“

Im Rahmen des Modellprojektes werden 30 Betriebspartnerschaften zwischen konventionell und ökologisch wirtschaftenden Ackerbaubetrieben in verschiedenen Boden-Klima-Räumen Niedersachsens geschlossen. Über einen Zeitraum von fünf Vegetationsperioden verzichten die konventionellen Betriebe auf jeweils einer Fläche auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Insektiziden und Herbiziden. Gemeinsam mit landwirtschaftlichen Beraterinnen und Beratern sowie den ökologisch wirtschaftenden Partnerbetrieben werden alternative Anbaumethoden erarbeitet, erprobt und ausgewertet. Darüber hinaus finden auf den Maßnahmenflächen sowie auf jeweils einer konventionellen und einer ökologisch bewirtschafteten Vergleichsfläche wissenschaftliche Erhebungen zur Ackerbegleitflora und Insektenfauna statt. Ziel dieser Erhebungen ist es, die jeweilige Vielfalt der Flächen anhand ökologischer Messgrößen wie Artenvielfalt und Biomasse zu dokumentieren.

Da die Umsetzung des herbizid- und insektizidfreien Ackerbaus in der Praxis auf den Maßnahmenflächen der Betriebe erfolgt, können die Landwirtinnen und Landwirte ihre Erfahrungen unmittelbar an ihre Berufskollegen weitergeben. Die Ergebnisse sollen nicht nur die Landwirtinnen und Landwirten ermutigen, sich verstärkt mit dem Thema „Biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft“ auseinanderzusetzen, sondern auch dazu beitragen, dass mehr Betriebe den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren und durch praktikable, insektenfreundliche Anbaumethoden ersetzen. Zusätzlich sollen öffentliche Feldtage und weitere regionale und überregionale Veranstaltungen die Öffentlichkeit über die gefährdete biologische Vielfalt einerseits und insektenfreundliche Agrarmaßnahmen andererseits informieren und so das Bewusstsein für eine insektenverträgliche Landwirtschaft fördern.

Kontaktdaten
sowie Projekt-Steckbrief unter: www.biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekte/projektbeschreibungen/finka.html

 


Korallenriffe funktionsfähig erhalten

Aus: www.vbio.de

https://www.vbio.de/aktuelles/studie-bewertet-erfolgsaussichten-von-schutzmassnahmen-fuer-korallenriffe

Tropische Korallenriffe bieten rund 500 Millionen Menschen einen Lebensunterhalt. Insbesondere an dicht besiedelten Küsten sind sie jedoch einer Vielzahl von Problemen ausgesetzt, die der Mensch verursacht. Überfischung, Verschmutzung durch Abfall oder Abwässer und Zerstörung durch Küstenbebauung sind nur einige.

Weltweit gibt es mittlerweile über 2800 Schutzgebiete, die die Nutzung der Riffressourcen einschränken oder ganz verbieten. Die Motivation für die Einrichtung von Schutzmaßnahmen kann sich dabei unterscheiden – vielerorts geht es darum, die Biodiversität im Riff zu erhalten oder die Fischerei zu unterstützen, teilweise jedoch auch um den Schutz bestimmter Ökosystemfunktionen.

Riffschutzgebiete funktionsfähig zu halten ist mit großem finanziellen und personellen Aufwand verbunden und abhängig von der Akzeptanz der Küstenbewohner, denen die Riffe ein Einkommen bieten. Es muss daher wohl überlegt sein, ob sich unter den jeweiligen Bedingungen, die an einem bestimmten Standort vorherrschen, ein solcher Aufwand lohnt und zum Erfolg führen würde.

Über ein Jahrzehnt trugen die Forscher unter der Leitung von Joshua Cinner von der James Cook University in Australien an mehr als 1800 tropischen Riffstandorten weltweit eine umfangreiche Datensammlung zu Lage, Umgebung und ökologischem Zustand der Riffe zusammen. Dabei richteten sie ihr Augenmerk auf drei repräsentative Managementziele: die Biomasse großer Fische, die Anzahl und Arten von Papageifischen und die Vielfalt an spezifischen Eigenschaften der Rifffische, wie Ernährung, Aktionsradius und Schwimmverhalten.

„Die Biomasse der größeren Fische ist ein Hinweis auf den Wert eines Riffes für die Ernährung der Bevölkerung“, erklärt Sebastian Ferse. „Papageifische erfüllen eine wichtige Funktion für die Vermehrung der Korallen. Sie weiden Algen ab und reinigen dadurch die Flächen, auf denen sich Korallenlarven ansiedeln. Die Merkmalsvielfalt wiederum ist eine Dimension der Biodiversität und ein Maß für die Widerstandsfähigkeit einer Tiergemeinschaft gegenüber schädigenden Faktoren.“

Weiter siehe obiger Link des VBIO.


Der „Niedersächsische Weg“ enthält noch viele Schlaglöcher

Das Maßnahmenpaket der Landesregierung ist lückenhaft und ersetzt nicht das Volksbegehren „Artenvielfalt“ 

Oldenburg. Der sehr anspruchsvolle Name des Maßnahmenpakets für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz „Der Niedersächsische Weg“, mit dem die Landesregierung aus Umwelt- und Landwirtschaftsministerium Konsens erzielte mit zwei (von 15) gesetzlich anerkannten Naturschutzverbänden sowie Landwirtschaftskammer und Bauernverband, stellt nach Auffassung der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems (BSH) dar, was konsensfähig ist. Wichtige Forderungen des Naturschutzes sind darin nicht enthalten, anderes bleibt vage formuliert. Die Erfahrungen mit pauschal widersprechenden Demonstranten und persönlichen Schuldzuweisungen an die Adresse von Umweltministern, Naturschutzverbänden bis hin zur breiten Bevölkerung sprechen nicht dafür, dass eine zukunftsorientierte Bereitschaft zu mehr Natur- und Ressourcenschutz und Gesetzesakzeptanz besteht, so Vertreter der Schutzgemeinschaft.

Weiteres dazu finden Sie hier.

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Beweidungsprojekte mit bedrohten Arten sind in Kooperation mit Landwirten besonders effektiv (Koniks in Amt Neuhaus, Foto: BSHnatur)

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Gemeinschaftspflanzaktion von Vertretern der Landwirtschaft und des Naturschutzes garantieren eine gute Entwicklung und Pflege (Littel, Foto: BSHnatur)

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Trockene Moore sind Brandbeschleuniger in der borealen Vegetationszone

Aus: VBIO – Aktuelles aus den Biowissenschaften vom 20.05.2020

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Moderate Wiedervernässungen unter Aussparung wertvoller alter Abbruchkanten kennzeichnen die Wiederbelebung trockengefallener Moore. Diepholzer Moor (Foto: BSHnatur)

Messdaten aus borealen Wäldern und Mooren der ganzen Welt hat jetzt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der kanadischen McMaster Universität (Hamilton) und Beteiligung der Universität Greifswald zusammengetragen, um mehr über den Wasserkreislauf in Ökosystemen der borealen Vegetationszone zu erfahren. Die Studie gibt Aufschluss über den Einfluss des Klimawandels auf boreale Wälder und Moore. Pflanzen aus Wäldern reagieren anders als jene aus Torfmooren auf ansteigende Temperaturen. Letztere haben kaum Schutzmechanismen gegen die Austrocknung. Ausgetrocknete Moore erhöhen die Waldbrandgefahr. Waldbrände wiederum heizen die globale Erwärmung an.

Die Ökosysteme der borealen Vegetationszone auf der nördlichen Erdhalbkugel zwischen dem 50. und 70. Breitenkreis sind geprägt von Wäldern, Seen und Mooren. Die Vegetation der borealen Zone ist größtenteils von ausgedehnten Waldgebieten geprägt. Torfmoore sind dagegen flächenmäßig weniger bedeutsam, haben jedoch eine wichtige Schutzfunktion für das gesamte Ökosystem der borealen Zone und das globale Klima. Intakte Moore sind ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und beeinflussen so die Klimaentwicklung entscheidend. Hinzu kommt, dass intakte Torfmoore große Mengen an Wasser speichern. Sie dienen als natürliche Feuerschneisen zwischen einzelnen Waldabschnitten. Die Studie ermöglicht neue Einblicke in die Folgen der Erderwärmung für Wald und Moor in der borealen Zone und deren Zusammenspiel angesichts der veränderten Umweltbedingungen.

Prof. Martin Wilmking von der Universität Greifswald und dem Greifswald Moorzentrum erklärt: „Bisher war es nicht möglich, einen so umfassenden Blick auf die Dynamik des Wasserkreislaufs zu werfen. Die aktuelle Studie, an der 59 Forschende aus Kanada, Russland, den USA, Deutschland und Skandinavien gearbeitet haben, ermöglicht ein tieferes Verständnis der Ökosystemprozesse der borealen Zone. Wir wissen nun, dass Wälder und Moorgebiete den Wasserverlust an die Atmosphäre im sich erwärmenden Klima sehr unterschiedlich regulieren. Es zeigt sich, wie diese Unterschiede das Tempo der Erderwärmung beschleunigen.“

Weiteres siehe: www.vbio.de/aktuelles/nachhaltigkeitklima/trockene-moore-sind-brandbeschleuniger-in-der-borealen-vegetationszone/

 


Bericht zur Lage der Natur zeigt gemischtes Bild vom Zustand von Arten und Lebensräumen in Deutschland

Bundesumweltministerin Schulze: „Auf vielen Wiesen und Weiden wird so viel gedüngt und so oft gemäht, dass sie für die Natur immer wertloser werden. Hier ist eine Trendwende dringend nötig.“

Presseinformation des BMU vom 19. Mai. 2020

„Der Natur in Deutschland geht es insgesamt nicht gut genug. Neben positiven Entwicklungen in Wäldern und ersten Lichtblicken in Dörfern und Städten ist der Zustand der Natur vor allem in der Agrarlandschaft überwiegend schlecht. Das geht aus dem „Bericht zur Lage der Natur“ hervor, den Bundesumweltministerin Svenja Schulze und die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, heute in Berlin vorstellten. Der Bericht basiert auf Daten, die nur alle sechs Jahre erhoben und an die EU-Kommission berichtet werden: insgesamt rund 14.000 Stichproben von den Sandbänken in der Nordsee bis zu den Lärchenwäldern in den Alpen sowie vielen weiteren Beobachtungen aus dem bundesweiten Vogelmonitoring.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Die Generalinventur unserer biologischen Vielfalt in Deutschland zeigt ein sehr gemischtes Bild. In manchen Teilen des Landes erholt sich die Natur: Vielen Buchenwäldern geht es gut, in den Wäldern und Siedlungen gibt es wieder mehr Vögel. Auch die Renaturierung von Flüssen und Auen trägt zur Erholung der Natur bei. Vor allem in der Agrarlandschaft geht es der Natur dagegen besorgniserregend schlecht. Das gilt besonders für Schmetterlinge und andere Insektenarten, die auf blütenreiche Wiesen und Weiden angewiesen sind. Denn diese wichtigen Ökosysteme gibt es in der intensiven Landwirtschaft immer seltener. Starke Verluste sehen wir auch bei vielen Vogelarten der Agrarlandschaft wie Kiebitz und Rebhuhn.“

BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel: „Artenreiche Wiesen und Weiden verzeichnen sowohl in der Fläche als auch in ihrer Artenvielfalt starke Rückgänge. Dieser Trend setzt sich seit dem ersten nationalen FFH-Bericht im Jahr 2001 ungebrochen fort. Mehr als die Hälfte aller FFH-Grünland-Lebensraumtypen befindet sich in Deutschland in einem ungünstig-schlechten Erhaltungszustand. Der Schutz des Grünlands muss deshalb nicht nur auf europäischer, sondern auch auf nationaler Ebene verbessert werden. Wenn wir Arten und Lebensräume erfolgreich schützen und erhalten, kann die Natur ein Teil von Lösungen sein. Auch das verdeutlicht unser Bericht: Renaturierte Feuchtgebiete, intakte Moore und nachhaltig genutzte Wälder können entscheidend zu Klimaschutz und Klimaanpassung beitragen.

Im Einzelnen sind 25 Prozent der untersuchten Arten in einem günstigen Erhaltungszustand, darunter der Seehund und die Kegelrobbe in der Nordsee oder der Steinbock in den Alpen. 30 Prozent sind in einem unzureichenden Zustand. 33 Prozent sind in einem schlechten Zustand, das betrifft vor allem Schmetterlinge, Käfer und Libellen. Bei den Lebensräumen sieht es ähnlich aus. Hier sind 30 Prozent in einem günstigen Zustand, zum Beispiel verschiedene Wald-Lebensräume, alpine Heiden und Gebüsche sowie Fels-Lebensräume. 32 Prozent weisen einen unzureichenden Zustand auf, während sich 37 Prozent der untersuchten Lebensräume in einem schlechten Zustand befinden, vor allem die landwirtschaftlich genutzten Grünland-Flächen, aber auch Seen und Moore.

Erfolge gibt es vor allem dort, wo aktiv in Naturschutz investiert wird, wie zum Beispiel bei der Renaturierung von Flüssen. Das zahlt sich nicht nur für Tier- und Pflanzenarten, sondern auch für die Wasserqualität und den Hochwasserschutz aus. Hingegen zeigt sich, dass sich dort, wo Lebensräume intensiv bewirtschaftet werden, der Zustand der Arten weiter verschlechtert hat, wie bei vielen Insektenarten und besonders dramatisch bei Vogelarten in der Agrarlandschaft.

Schulze: „Auf vielen Wiesen und Weiden wird so viel gedüngt und so oft gemäht, dass sie für die Natur immer wertloser werden. Hier ist eine Trendwende dringend nötig. Erste Schritte haben wir bereits getan mit dem neuen Düngerecht und dem Aktionsprogramm Insektenschutz.“ Schulze kündigte an, als nächsten Schritt ein Insektenschutzgesetz auf den Weg zu bringen, das unter anderem artenreiches Grünland und Streuobstwiesen besser schützt. Der größte Hebel für ein Umsteuern sei aber die EU-Agrarförderung, die gerade neu verhandelt wird. „Das Geld sollte so eingesetzt werden, dass die Landwirtinnen und Landwirte für das honoriert werden, was sie für die Gesellschaft leisten – und dazu gehört ganz zentral der Naturschutz“, so Schulze.

Im Zuge der Corona-Pandemie ist auch die Bedeutung intakter Ökosysteme weltweit stärker ins Blickfeld geraten. Denn wenn Menschen in bislang weitgehend natürliche Ökosysteme vordringen, steigt das Risiko, dass neuartige Viren von der Tierwelt auf die Menschen übergehen. „Aber nicht nur in der Pandemie-Prävention, auch im Kampf gegen den Klimawandel wirkt der Naturschutz wie ein Impfstoff. Eine Natur mit intakten Mooren, Auen und naturnahen Wäldern ist besser gegen Dürren gewappnet“, sagte Schulze. „Eine intakte Natur ist Voraussetzung für eine krisenfeste Gesellschaft. Darum bin ich zuversichtlich, dass Naturschutz jetzt zu einem unverzichtbaren Teil unseres Weges aus der Krise wird.“

Hintergrundinformationen:

Alle sechs Jahre nehmen Bund und Länder eine Bewertung des Zustands der Natur in Deutschland vor. Dazu werden umfassende Berichte erstellt, die durch die Bundesregierung an die EU-Kommission zur Erfüllung der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und der EU-Vogelschutz-Richtlinie übermittelt werden. Grundlage für die Analyse ist ein Datenschatz, den ehrenamtliche Naturschützer*innen und Behörden bundesweit zusammengetragen: In rund 14.000 Stichproben haben sie im Zeitraum von 2013 bis 2018 den Zustand von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen erfasst, die über die europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinien geschützt sind. Für den Vogelschutzbericht liefern die Programme des bundesweiten Vogelmonitorings eine weitere wichtige Datenbasis. Aus den Daten lassen sich auch Rückschlüsse auf die Lage der Natur in Deutschland insgesamt ziehen.

Das ausführliche Informationspapier „Die Lage der Natur in Deutschland“ sowie die Ergebnisse von FFH- und Vogelschutzbericht finden Sie unter www.bmu.de/DL2475.

Steckbriefe ausgewählter Arten und Lebensräume finden Sie unter www.bmu.de/WS5472


Der Weser-Ems-Regionalflora, der Gattung Rubus und dem Naturschutz verbunden: Heinrich E. Weber (†), engagierter Pflanzensoziologe und Biotop-Förderer

Osnabrück – Bramsche.   Mit dem Ableben von Heinrich E. Weber hat ein über Jahrzehnte unermüdlich wirkender Vorkämpfer für den Erhalt einer möglichst wenig veränderten Landschaft in Nordwestdeutschland seine Arbeit eingestellt. Er verstarb mit 88 Jahren am 2. Mai 2020 im heimischen Bramsche westlich von Osnabrück. Dienstlich war er vielfach ausgewiesen als Prof. Dr. phil. (Konzertpiano Uni Hamburg), Dr. rer. nat. (Vegetation der Knicks in Schleswig-Holstein, Uni Kiel) und Dr. rer. nat. h.c. (Gattung Rubus, speziell Brombeeren, Universität Lüneburg). Sein Wissen brachte er ein in die Bemühungen um den Erhalt wertvoller Naturlandschaften, insbesondere der Moore zwischen Diepholz und dem Emsland.

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Heinrich E. Weber (links) und Remmer Akkermann im Gespräch. Foto: BSH-Archiv 1984

Schon als Schüler hatte er in den fünfziger Jahren den dramatischen Landschaftswandel erkannt, der unter anderem mit dem Siedlungsbedarf Zehntausender aus dem heutigen Westpolen zugewanderter Vertriebener zusammenhing. Angeblich dienten die damit verbundenen großflächigen Entwässerungen und Flurbereinigungen der Bekämpfung drohender Hungersnöte und der Versorgung mit Brennstoffen. Heinrich Weber hatte mit Nachdruck öffentlich kritisiert, dass das radikale Vorgehen gerade bei Hochmooren und wertvollen alten Waldstandorten unverhältnismäßig war und als so genannte „Melioration“ und „Veredelungswirtschaft“ zu einer irreparablen Ausräumung wertvoller Landschaften führte. Seine damaligen Fotos aus dem Bereich des Heeder Moores, des Huntetals und anderer Naturräume, bevor die Veränderungen einsetzten, sind wertvolle Dokumente.

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Bücher von Heinrich E. Weber: Gebüsche, Hecken, Krautsäume; Flora von Südwest-Niedersachsen und dem benachbarten Westfalen

Historisches Foto einer Flusslandschaft (Hunte bei Dötlingen, 1958) Foto: Heinrich E. Weber

Um den Schutzbedarf herauszustellen, auf die Dramatik aufmerksam zu machen und im Sinne des Erhalts von Biotopverbundsystemen aufzuklären, hat Heinrich Weber als Botaniker in der Aula der Universität Vechta (damals noch Universität Osnabrück, Abt. Vechta) gemeinsam mit über 90 interessierten Studierenden und Freunden im Januar 1976 die Biologische Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems (BSH) mitgegründet und wurde Vorstandsmitglied. Weber war sich nicht zu schade, auch die örtlichen und landesweit tätigen Politiker über Naturschutzfragen in Vorträgen und Diskussionen aufzuklären. Das waren seinerzeit stark besuchte Vortragsabende in Kreisverwaltungen, Seminare zu Umweltschäden in Hotels sowie Streitgespräche mit Ministern und Amtsvertretern. Intensiv und teilweise erfolgreich waren solche Termine im Zusammenhang mit den Neubauinitiativen der Straßenbauverwaltung, die häufig Alleen und wertvolle Saumbiotope beseitigen und die Landschaft durchschneiden wollten. Stets von Bedeutung waren seine botanischen Fachkenntnisse und die Fähigkeit zu überzeugen, auch wenn der behördliche Gegenwind stark war.

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Beispiele für unterschiedliche Blattformen. – Links ein 7-zähliges Blatt der Eingeschnittenen Brombeere (Rubus scissus). In der Mitte ein 5-zähliges Blatt der Wald-Brombeere (Rubus silvaticus). Rechts ein 3-zähliges Blatt der Träufelspitzen-Brombeere (Rubus pedemontanus

Beispiele für unterschiedliche Blattformen. Links ein 7-zähliges Blatt der Eingeschnittenen Brombeere (Rubus scissus). In der Mitte ein 5-zähliges Blatt der Wald-Brombeere (Rubus silvaticus). Rechts ein 3-zähliges Blatt der Träufelspitzen-Brombeere (Rubus pedemontanus). Aus: BSH-Ökoportrait 39 „Brombeeren“, 2005.

Heinrich Weber war es auch, der mit der BSH unter der Regierung Albrecht erfolgreich die Gründung eines eigenständigen Niedersächsischen Umweltministeriums (erstmals geführt von Werner Remmers, Osnabrück-Lingen) anregte und in Hannover 1988 die entsprechende Resonanz fand. Das geschah stets in Begleitung von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Auf die Ermahnung der damaligen Hochschulleitung, sich politisch zurückzuhalten, antwortete Weber nur lapidar und fest entschlossen: „Wir lassen uns bei diesen Themen nicht disziplinieren!“

Der Vorstand der BSH konnte Heinrich Weber davon überzeugen, seine umfangreichen Kenntnisse zum Vorkommen des gesamten Spektrums heimischer Pflanzen in der „Flora von Südwest-Niedersachsen und dem benachbarten Westfalen“ mit zahlreichen Hinweisen auf die örtlichen Vorkommen niederzuschreiben. Das förderte auch der Verleger Wenner in Osnabrück – beide Seiten gingen davon aus, dass dieses Wissen andernfalls verloren gehen würde. Es lebt in seinem Buch also fort!

Heinrich E. Webers Rubus-Herbar wurde dem Archiv des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin übergeben (Königin-Luise-Straße 6-8, 14195 Berlin).

Das Naturschutzforum, die BSH und
der NVN haben Heinrich Weber auch viele kleinere und größere
allgemeinverständliche, wissenschaftlich korrekte Texte für politische
Petitionen, Fachinfos und Merkblätter zu verdanken, darunter solche zu
Brombeeren und Gagelstrauch, zu finden unter:

2005: http://www.bsh-natur.de/O…portrait -Brombeeren.pdf

2008: http://www.bsh-natur.de/O…portrait_Gagelstrauch.pdf

Die Naturschutzverbände NaFor und BSH danken Prof. Weber für seine Lebensleistung zugunsten der nordwestdeutschen Lebensräume und ihrer Biologie sowie für die langjährige fachliche Unterstützung des außerbehördlichen Naturschutzes der Verbände.

 


Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa

Pressemitteilung des Sachverständigenrats für Umweltfragen vom 14. Mai 2020:

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) veröffentlicht heute sein Umweltgutachten „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“ und erörtert es mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze in einer Videokonferenz. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verlieren Klimawandel und Biodiversitätsverlust aktuell an Aufmerksamkeit. Die langfristige Bedrohung der ökologischen Lebensgrundlagen bleibt aber bestehen. Die aktuelle Krise zeigt zudem eine ungeahnte Verletzlichkeit unseres Lebens und Wirtschaftens auf. So unterschiedlich die beiden Krisen sind, gemeinsam ist ihnen, dass sie nur durch gemeinsames und entschlossenes Handeln überwunden werden können. Die jetzt notwendige Wiederbelebung der Wirtschaft sollte genutzt werden, neue Wege zu gehen. „Großangelegte Konjunkturprogramme müssen ökologisch zukunftsfähig sein“, sagt die SRU-Vorsitzende Prof. Claudia Hornberg. „Es sollte in Lösungen investiert werden, die die umweltverträgliche Entwicklung der Wirtschaft fördern.“ Die Bundesregierung sollte sich dafür stark machen, dass auch die EU-Konjunkturprogramme darauf ausgerichtet sind, den European Green Deal zu verwirklichen.

Für Deutschland wie für die EU gilt: Die Politik muss unter Beweis stellen, dass sie angesichts der enormen ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen handlungsfähig ist. „Die EU steht mit Blick auf die planetaren Grenzen gerade im Klimaschutz vor großen Herausforderungen. Daher muss die Umweltpolitik im Rahmen des European Green Deal sichtbarer Bestandteil der europäischen Wirtschafts-, Verkehrs- und Agrarpolitik sein. Zugleich müssen für Umsetzung und Monitoring verbindliche Vorgaben gemacht werden“, hebt Prof. Christian Calliess hervor. Auch bislang nicht ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsbereiche wie die Landwirtschaft und der Verkehr müssen jetzt Umwelt- und Klimaschutz in den Vordergrund stellen. Der SRU schlägt deshalb in verschiedenen Schlüsselbereichen Veränderungen vor.

Um den Klimawandel zu bremsen, ist es unerlässlich, die Gesamtmenge an CO2 zu begrenzen, die noch ausgestoßen wird. Diese entscheidet maßgeblich über das Ausmaß der Erwärmung. Der SRU empfiehlt der Bundesregierung deshalb, ihre Klimapolitik an einem langfristigen CO2-Budget auszurichten, das im Einklang mit den Temperaturzielen von Paris steht. Prof. Wolfgang Lucht erläutert: „Ein ausreichendes, faires und angemessenes deutsches CO2-Budget beträgt maximal 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ab 2020. Bei linearer Reduktion muss Deutschland schon 2038 CO2-neutral sein, nicht erst 2050.“ Entschlossene Klimaschutzmaßnahmen sind daher dringend erforderlich.

Seit Jahren sprechen wir davon, auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft zu sein. Die Zahlen zeigen aber: Deutschland nutzt nach wie vor zu viele Rohstoffe und verursacht damit gravierende Umweltbelastungen. „Stoffströme müssen verringert und es muss eine konsequente Produktpolitik implementiert werden, damit mehr Rohstoffe im Kreislauf geführt werden können“, stellt Prof. Vera Susanne Rotter heraus. „Es ist wichtig, dass Produkte langlebig, reparaturfreundlich, recyclinggerecht und schadstofffrei sind.“ Der SRU empfiehlt, die Abfallhierarchie zu einer Kreislaufwirtschaftshierarchie weiterzuentwickeln, um diese Aspekte zu verankern. Konkret sollte z. B. die Ökodesign-Richtlinie auf weitere Produktgruppen ausgedehnt werden. Recycling ist nicht nur an Quoten, sondern auch an seiner Qualität zu messen.

Intakte Gewässer sind die Voraussetzung für funktionierende Ökosysteme, Artenvielfalt sowie lebendige Landschaften und spielen eine wichtige Rolle bei der Klimaanpassung. Europäisch vereinbarte Gewässerschutzziele werden flächendeckend verfehlt. Prof. Manfred Niekisch betont: „Für die Renaturierung der Flüsse müssen mehr Flächen an den Gewässern bereitgestellt werden.“ Außerdem erfordert die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie eine verbindliche Planung sowie ausreichend Gelder und Fachpersonal.

Viele Menschen in Deutschland sind hohen Belastungen durch den Verkehrslärm ausgesetzt. „Diese Lärmbelastungen stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar“, erläutert Prof. Hornberg. Sie treffen sozial Benachteiligte häufiger als andere. Um den Schutz vor Verkehrslärm zu verbessern, empfiehlt der SRU bundesweit festzulegen, ab welcher Lärmbelastung Kommunen verpflichtet werden, Lärmschutzpläne aufzustellen. Außerdem sollten die gesundheitsbezogenen Lärmschwellen in Deutschland deutlich verschärft und die europäischen Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuggeräusche anspruchsvoll ausgestaltet werden.

Der Stadtverkehr wird seit Jahrzehnten vom Auto dominiert. Die Folgen sind Lärm, Luftverschmutzung, ein wachsender Flächen- und Energieverbrauch sowie hohe Gesundheits- und Umweltkosten. ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sollten nach Auffassung des SRU stark ausgebaut werden. Die Novelle der StVO ist für ein Umsteuern noch nicht ausreichend und muss nachgebessert werden. „Eine konsequente Parkraumbewirtschaftung und eine streckenabhängige Pkw-Maut sollten dazu beitragen, einer aktiven und umweltfreundlichen Mobilität in der Stadt Raum zu geben“, sagt Prof. Claudia Kemfert.

Der SRU empfiehlt, Quartiere als geeignete Handlungsebene für die Umwelt- und Klimapolitik stärker zu nutzen. Quartiersbezogene Maßnahmen bergen Potenziale für den Umwelt- und Klimaschutz und ermöglichen Synergien mit anderen Zielen. Sie sind der Betrachtung von Einzelgebäuden überlegen. Hierzu zählen die Versorgung durch Wärmenetze, serielle energetische Sanierung und die lokale Erzeugung erneuerbarer Energien.

„Um die städtische Energiewende voranzubringen, sollte die Eigenversorgung mit Strom und Wärme künftig gesetzlich vereinfacht und die gemeinsame Erzeugung sowie nachbarschaftliche Versorgung mit Energie erleichtert werden. Diese Aspekte sollten in das Gebäudeenergiegesetz Eingang finden“, betont Prof. Lamia Messari-Becker.

Der wirtschaftliche Neustart nach der Corona-Pandemie sollte dazu genutzt werden, die Weichen in Richtung ökologischer Transformation zu stellen. Die enormen Mittel, die für die konjunkturelle Wiederbelebung eingesetzt werden, müssen konsequent an den Zielen der Klimaneutralität und des Umweltschutzes ausgerichtet werden.

Das Umweltgutachten „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“ steht auf der Website des SRU zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Julia Hertin, Tel.: +49 30 263696-118, E-Mail: julia.hertin@umweltrat.de

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berät die Bundesregierung seit fast 50 Jahren in Fragen der Umweltpolitik. Die Zusammensetzung des Rates aus sieben Professorinnen und Professoren verschiedener Fachdisziplinen gewährleistet eine wissenschaftlich unabhängige und umfassende Begutachtung sowohl aus naturwissenschaftlich-technischer als auch aus ökonomischer, rechtlicher und gesundheitswissenschaftlicher Perspektive.

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Der Rat besteht derzeit aus folgenden Mitgliedern:

Prof. Dr. Claudia Hornberg (Vorsitzende), Universität Bielefeld

Prof. Dr. Manfred Niekisch (stellv. Vorsitzender) Professor für Internationalen Naturschutz

Prof. Dr. Christian Calliess, Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Claudia Kemfert, Hertie School of Governance und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

Prof. Dr. Wolfgang Lucht, Humboldt-Universität zu Berlin und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker, Universität Siegen

Prof. Dr.-Ing. Vera Susanne Rotter, Technische Universität Berlin

Sachverständigenrat für Umweltfragen

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