Die polnische Regierung hat 2017 den Einschlag von bis zu 300 alten Bäumen im Bialowieza Nationalpark freigegeben und dies mit der Eindämmung einer existenziellen Borkenkäferplage begründet. Diese Begründung ist aus Sicht des NaturschutzForums Deutschland (NaFor) nicht stichhaltig. Vielmehr gehören Borkenkäfer zum Wald-Ökosystem und stellen gerade in gut durchmischten Urwaldbeständen kein existentielles Problem dar. Das NaFor appelliert daher an die Entscheidungsträger, keine weiteren Abholzungen im Bialowieza-Urwald zuzulassen – weder in der Kernzone, noch außerhalb. Stattdessen fordert NAFor die polnische Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil der geschützten Waldfläche von bisher 15% auf 30% verdoppelt wird.
Urwälder sind als Primärwälder lebende Dokumente, die auch als Vorbild für neu einzurichtende Wälder dienen, sofern das standortgerechte Artenspektrum bei aktiven Erweiterungen und Nachpflanzungen berücksichtigt wurde. Zu den ältesten mitteleuropäischen Urwäldern gehört jener von Bialowieza an der Ostgrenze des heutigen Polens. Er wurde sogar während des letzten Krieges trotz der Anwesenheit von Partisanen nicht wesentlich verändert. Während Weißrussland seinen Teil komplett unter Naturschutz gestellt hat, hat die polnische Regierung allein 2017 den Einschlag von bis zu 300 alten Bäumen freigegeben (ca. 188.00 cbm Holz, darunter z.B. 30 m hohe Linden), angeblich zur Eindämmung einer existenziellen Borkenkäferplage. Aber genau die stellt sich bei gut durchmischten Urwaldbeständen nicht ein. Somit scheinen wirtschaftliche Gründe maßgebend zu sein.
Das NaturschutzForum Deutschland (NaFor) appelliert an Verantwortlichen in Polen, auch außerhalb der Kernzone keine weitere Abholzung zuzulassen, sondern stattdessen dafür Sorge zu tragen, dass der nur zu 15 Prozent geschützte Anteil der auf polnischer Seite gelegenen 600 qkm um die Hälfte erweitert wird. Das dient auch maßgeblich dem Schutz weiterer Arten wie etwa Pilzen (3.500 Arten), Pflanzen (5.500 Arten) und 12.000 Tieren – darunter 9 Spechtarten, Blauracke und Schreiadler, aber besonders auch der dort traditionell lebenden 450 Wisente.
Wirtschaftlich ließe sich die Region durch einen ökologisch orientierten Tourismus fördern, zumal das Gebiet als Schaufenster europaweit für Forstleute, Biologen und Naturschutz eine herausragende Bedeutung hat. Den Einschlag endgültig zu stoppen, wäre auch ein positives politisches Signal, statt den endgültigen Ausgang einer laufenden EU-Klage abzuwarten (EuGH 20. 07. / Nov. 2017).
Hintergrund: Was ist ein Urwald?
Viele heute als Urwälder bezeichnete Wälder Mitteleuropas sind historisch alte Wälder, deren Fortbestand ehemals durch Fürsten und Klöster garantiert wurde. Dabei traten regelmäßig Störungen durch jagdliche Aktivitäten (Bannwald) oder Schweinemast (Hutewald) aber auch durch angepasste Durchforstung („Verjüngung“) auf. Diese auf alten Rechten beruhende extensive bis eingestellte Nutzung hat eine nachhaltige Wirkung auf ortsansässige alte Lebensgemeinschaften, ob mit Pilzgemeinschaften, zahlreichen Käfern, wie dem Eremit oder Säugetieren wie dem Garten-(Masken-)schläfer. Typisch ist, dass sich Gehölze aller Art, Altersgruppen und Vitalität in Konkurrenz zu Nachbarn entwickeln können und – auch abgestorben – nicht entnommen werden, sondern als lokale Nährstoff-Grundlage für nachfolgende Generationen dienen.
Kontakt: Prof. Dr. Remmer Akkermann (atlantikvision@gmx.de)
Weitere Hinweise zu Wald und Wisent:
Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zu Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz). mit Begriffsbestimmungen 1975 / 2017
Schröpfer, R. (2007): Der Wisent (Bison bonasus).- NVN/BSH-Ökoporträt 44, 8 S., siehe auch www.bsh-natur.de
Gerdes-Röben, M. (2007): Der Hasbruch – Ein Kleinod unter den alten Wäldern in Nordeuropa.- bsh-natur.de / Norddeutsche Biopoe 22, 8 Seiten