Mehr Abstand zum Nationalpark Wattenmeer

Naturschutzforum fordert Begrenzung der Schiffsgrößen und Sonderregelungen für Gefahrgut

Berlin / Oldenburg. Die Gebiete des Weltnaturerbes Wattenmeer zwischen den Niederlanden und Dänemark – mitten darin die deutschen Wattenmeere mit den ost- und nordfriesischen Inseln der Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein – sind angesichts ihrer Nähe zu Häfen, Industrie und Touristik mehrfachen Gefährdungen ausgesetzt.
Havarien sind bei Sturm oder technischen Störungen jederzeit möglich. Je größer die Schiffe und ihre Ladungen sind, umso höher ist das Gefährdungspotenzial für die Ökologie und Lebensgemeinschaften im Watt und in den Salzwiesen.

Außengroden an der Unter-Ems in Höhe von Petkum/Ostufer (ausgewiesen als Naturschutzgebiet) kurz vor der Mündung in den Dollart / Nordsee, ein ganzjährig wichtiger Lebensraum für brütende und durchziehende Watvögel und Gänsen (hier. Ringel-, Grau- und Saatgänse sowie an der Uferlinie (oben) Säbelschnäbler und Austernfischer.). Da das Gebiet im Bereich Ebbe und Flut liegt, würden Ölverschmutzungen zum Beispiel aus Havarien auch dieses Areal über Jahre schädigen. Foto: Remmer Akkermann (BSH)

Deshalb müssen für die Transportwege risikoreicher Frachten verschärfte Vorsichtsmaßnahmen gelten. Größere Abstände zum Nationalpark Wattenmeer und den benachbarten Schutzgebieten sind dringend erforderlich. Die Hauptfahrwasserrinnen nutzen vor allem zahlreiche kleinere Schiffe, die ebenfalls infolge technischer Mängel, Nebels oder fehlender Lotsen die Umwelt gefährden. Schon die Missachtung des Verbots, querfeldein über flachgründige Routen zu steuern, um Fahrzeiten zu verkürzen, könnte schwerwiegende Folgen haben, sollten die Schiffe auf Grund laufen. Derartige Grundkollisionen erlebten Fahrgäste vor Jahrzehnten immer mal wieder, wenn Fahrgastschiffe zum Beispiel durch das Watt von Wilhelmshaven nach Wangerooge fuhren, heute ist die Fahrt nur über die kürzesten mit Pricken ausgewiesenen Priele erlaubt.

Im Falle des am 26. Juli 2023 vor der niederländischen Insel Ameland in Brand geratenen Autotransporters FREMANTLE HIGHWAY, beladen mit 3.784 Fahrzeugen, 500 davon elektrisch betrieben, gelang der niederländischen Bergungsfirma und den beteiligten Havarie-Behörden, auch auf deutscher Seite, eine schnellstmögliche und dennoch vorsichtige Bergung des Schiffes. Da das Wetter mitspielte, die Wege kurz waren und Bergungsexperten schnell präsent waren und professionell arbeiteten, konnte Schlimmeres verhindert werden. Das Schiff liegt jetzt im niederländischen Eemshaven und gleicht einem Berg Sondermüll.

Doch schon die Havarien der Vergangenheit haben gezeigt, welche katastrophalen Auswirkungen austretendes Öl und Chemikalien auf das gesamte Ökosystem Wattenmeer haben können. Die Bilder von verölten Vögeln, die versuchen, durch das Putzen ihres Gefieders wieder flugfähig zu werden, sind jedem präsent. Selbst ein Reinigen der Vögel durch Vogelschützer verlängert das Leiden der Tiere oft nur, da diese das Öl beim Gefiederputzen bereits in ihrem Magen-Darm-Trakt aufgenommen haben. Ein Auslaufen der von der FREMANTLE HIGHWAY mitgeführten Kraftstoffe hätte die gesamte marine Nahrungskette gefährdet: Tausende von Brutvögeln und Meeresbewohnern – von der Strandkrabbe, über Fische bis zum Seehund und Seepferdchen – wären geschädigt oder getötet worden, die Regeneration des Watts würde Jahrzehnte dauern.

An Bord des Transporters befanden sich 1.600 Tonnen Schweröl (VLSFO) und weitere 200 Tonnen Marinediesel (LSMGO), mit einzurechnen sind die Tank- und Schmierölinhalte der 3.784 transportierten Auto. Schon ein Bruchteil davon hätte ausgereicht, Strände zu verölen und den Badetourismus lahmzulegen. Die Brandentwicklung an Bord und die tagelang emittierenden Rauchschwaden waren für Touristen auf Borkum und Norderney ein kleiner Vorgeschmack auf die anfangs nur schwer einzuschätzende Dimension einer eventuellen Katastrophe.

Das NaturschutzForum Deutschland dankt umso mehr allen beteiligten Spezialisten auf niederländischer und deutscher Seite, die der Gefahr des Auseinanderbrechens des Riesenschiffs einer japanischen Reederei oder eines unsachgemäßen Löschens durch zügiges, überlegtes Handeln zuvorgekommen sind.

Die großen rastenden Vogelschwärme (hier ein Schwarm Sanderlinge mit einzelnen Alpenstrandläufern) zeigen im ganzen Jahr den Nahrungsreichtum an wattbewohnenden Würmern, Muscheln und Krebsen. Sowohl dieser Nahrungsraum als auch die rastenden Vögel selbst wären durch Havarien bedroht. Foto: Christian Wiedemann / LKN.SH
Die Salzwiesen bilden den Übergang zwischen Meer und Deich. Sie schützen Deich und Hinterland vor zu starken Welleneinwirkungen und sind Brutgebiet für Rotschenkel und Säbelschnäbler ebenso wie für Wiesenpieper und Feldlerche. Foto: Heiko Brunken
Säbelschnäbler bevorzugen Flachwasserzonen, die sich auch als Klei-Entnahmestellen anbieten. Schon ein Kontakt mit geringen Ölmengen hätte tödliche Folgen. Foto: Christian Wiedemann / LKN.SH

Weitere Informationen und weiterführende Literatur zum Thema:

HAVARIEKOMMANDO / Central Comand for maritime emergencies Germany: Schiffsbrand vor der Niederländischen Küste. Havariekommando unterstützt und ist auf möglichen Schadstoffaustritt vorbereitet.- PM v. 26.07.2023, www.havariekommando.de

NATIONALPARK NIEDERSÄCHSISCHES WATTENMEER: Steckbrief – Lebensräume – Arten – Übersichtskarten etc. www.nationalpark-wattenmeer.de/nds/

WADDENSEA.WORLDHERITAGE NED: Das Wattenmeer in den Niederlanden: www.waddensea-worldheritage.org/de/visit/niederlande

OLDENBURGER LANDESVEREIN & BSH WARDENBURG: Die Jade – Flusslandschaft am Jadebusen.- Landes- und naturkundliche Beiträge zu einem Fluss zwischen Moor, Marsch und Meer.- Autorenkollektiv (71 AutorInnen, 482 (CD 616) S., 480 (527) Abbildungen, Verlag Isensee Oldenburg (Oldb), Siehe auch; www.jadebuch.de  

BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT UND VERBRAUCHERSCHUTZ Berlin: Pressemitteilung vom 27.07.2023, zum Frachterunglück vor der Insel Ameland in der Nordsee: https://www.bmuv.de/themen/wasser-ressourcen-abfall/meeresschutz/frachterunglueck-vor-der-insel-ameland-in-der-nordsee

Akkermann, R. (1998): Ölverschmutzungen und Ölkatastrophen auf dem Meer und an den Küsten. Vorbeugung, Ölunfallbekämpfung, Auswirkungen auf die marine Fauna.- NVN / BSH – Merkblatt 56, 12 S., www.bsh-natur.de/uploads/Merkblätter/056…Ölverschmutzungen.pdf

DER MELLUMRAT: Aktuelle Beiträge und Nachrichten zu Seevogelfreistätten, Wattenmeer und Nordsee in der Zeitschrift „Natur und Umwelt“. www.mellumrat.de/info/zeitschrift/  Postadresse: Zum Jadebusen 179, D-26316 Varel-Dangast, Tel: +49(0)4451 84191, E-Mail: info@mellumrat.de

Heckroth, M. (2005): Wangerooge – Naturparadies im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“. – NVN/BSH Norddeutsche Biotope- Schutz und Entwicklung 8 S., www.bsh-natur.de/uploads/Biotope/021…Wangerooge.pdf

WISSENSCHAFTLICHE ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR NATUR- UND UMWELTSCHUTZ e. V. (WAU): Naturschutzverein v.a. im Wangerland/Butjadingen/Jadebusen/WTM tätig, mit Betreuung des Elisabeth-Außengrodens an der Nordsee.- Postadresse: WAU (Werner Menke), Ibenweg 7, D-26441 Jever, Telefon: +49 4461 4298, E-Mail: menke@wau-jever.de

Reinke, H.-D. (1991) Salzwiesen – gefährdeter Lebensraum zwischen Meer und Land.- NVN / BSH – Norddeutsche Biotope – Schutz und Entwicklung 12, 6 S., Wardenburg http://www.bsh-natur.de/uploads/Biotope/012 – Salzwiesen.pdf